Schneckentempo alias Entschleunigung

Was heißt Entschleunigung? Wie lange gibt es den Begriff schon? Mein PC jedenfalls gibt mir bei dem Wort eine Fehlermeldung an. Die Suchmaschine allerdings scheint up to Date zu sein, denn die hat gleich eine Erklärung vorzuweisen.

Mit Entschleunigung wird ein Verhalten beschrieben, aktiv der beruflichen und privaten Beschleunigung(Eile/Hast) des Lebens entgegenzuwirken, sprich wieder gezielt langsamer zu werden. 

In meinen Worten ausgedrückt, einfach in den Schneckengang runterschalten. 

Dabei muss ich an die Schnecke denken, die ich vor kurzem beim Spaziergang fotografieren durfte. Ich schreibe mit Absicht durfte, denn so wirkte es in dem Moment auf mich. Es war als hätte sie sich die Zeit genommen, sich für mich in Pose zu stellen, damit ich ein schönes, in Erinnerung bleibendes Foto machen konnte. 

In der Stunde, als ich da mit meinem Hund unterwegs war, bin ich bewusst langsam gegangen und habe mich umgeschaut. Nur deshalb habe ich auch die Schnecke gesehen, die meinen Weg kreuzte, oder kreuzte ich ihren? Ich hatte mich hingehockt und sie für ihre Gemächlichkeit fast schon bewundert. Ob sie sich der Eile um sie herum bewusst ist? Und wenn ja, ob sie ihr egal ist? Ob sie sich selbst als langsam wahrnimmt? Oder ist dieses Langsame nur etwas, was wir ihr zuschreiben, weil wir uns selbst kaum Zeit nehmen? Ich war mir sicher, dass sie in ihrem Schneckengang genau da ankommen würde, wo sie hinwollte, auf ihre Weise und in ihrem Tempo. Ist für sie Entschleunigung ein Begriff oder ein Normalzustand?

Mir kommt die Welt um mich herum plötzlich wirklich schnell vor. Alle möchten etwas schaffen, erreichen, sich selbst auf Biegen und Brechen verwirklichen. 

Oft sind wir in allen Lebenslagen in Eile und gestresst. Wir hetzen durch unser Leben und nehmen uns kaum noch die Zeit für die wesentlichen Dinge. Sie sind zu unscheinbar in der eigenen hektischen Welt geworden.

Doch zuweilen gibt es Augenblicke, da sollte man einen Gang runter schalten und es der Schnecke gleichtun. Die Fühler ausstrecken und die Langsamkeit genießen. So rast nichts mehr vorbei und man kann sich achtsam alles anschauen. Plötzlich sieht man dann klarer, nicht mehr schemenhaft, wie im Sturzflug. In diesem Tempo ist ein Durchatmen, ein sich selbst und seine Bedürfnisse wahrnehmen erst richtig möglich. 

Oder sind wir zu oft mit Automatik gefahren, dass wir das Schalten verlernt haben?

Kommentare: 2
  • #2

    Anita (Montag, 24 Juni 2019 16:29)

    Sehr gut, Sabrina!
    Ich werde gleich mal einen Gang zurückschalten. Auch das Bild ist super geworden.

  • #1

    Astrid (Sonntag, 23 Juni 2019 15:49)

    Liebe Sabrina, das hast du sehr treffend geschrieben! Auch unser Terminkalender ist gut gefüllt oder überfüllt und manchmal erwische ich mich, wie ich alles im Dauerlauf erledige. Da koste ich kleine Auszeiten besonders aus, z.b. wenn ich mit Dolly im Feld unterwegs bin, den Blick weit schweifen lassen und tief durchatmen kann. Oder spontan zum Lieblingslied durch's Wohnzimmer zu tanzen :-)
    Fühl dich umarmt!